17.02.2021: Innenentwicklung Habichtswald
Antrag der WGH – Fraktion für die Gemeindevertretersitzung
Beschlussvorschlag
Der Gemeindevorstand wird beauftragt:
A) zu ermitteln, wie groß Habichtswalds Flächenpotential für Innenentwicklung im Sinne des Regionalplans „Vorranggebiet Bestand“ ist. Basierend auf dieser Potenzialschätzung soll,
B) eine neue, die alte vom Dezember 2019 ersetzende, Priorisierungsliste für Baulandentwicklung zu erstellen, die gemäß dem Grundsatz Innenentwicklung vor Außenentwicklung
1) zuerst vorhandene Leerstände berücksichtig,
2) dann Flächen aus dem Regionalplan „Vorranggebiet Bestand“ wählt,
3) danach Flächen aus dem Regionalplan „Vorranggebiet Planung“ und
4) erst zum Schluss neue Flächen aus den „Nicht-Vorranggebieten“ in Betracht zieht.
Begründung
Die Stellungnahme des Regierungspräsidiums Kassel, Dezernat 21.2 Regionalplanung Siedlungswesen stellt klar, dass „der zu beachtende Bruttowohnsiedlungsflächenbedarf für den Zeitraum des zukünftigen Regionalplans Nordhessen 2020 voraussichtlich deutlich geringer sein wird als der bisherige“. Hier ist also eine Korrektur der bisherigen auf den höheren Bruttowohnsiedlungsflächenbedarf ausgerichteten Strategie nötig.
Neuausweisung von Bauland sollte grundsätzlich nur bei Bedarf geschehen und dann nach der oben erwähnten Priorisierung:
- Leerstand beseitigen,
- „Vorranggebiet Bestand“ (Abbildung 1, braun),
- „Vorranggebiet Planung“ (Abbildung 1, orange),
- „Nicht-Vorranggebiete“ (Abbildung 1, restliche Fläche).
Der vom Regierungspräsidium Kassel übermittelte Bruttowohnsiedlungsflächenbedarf für die 10 Jahre der Gültigkeit des Regionalplans Nordhessen wird auf formal 9 ha beziffert.
Über Schätzungen des Bruttowohnsiedlungsflächenbedarfs ist bekannt, dass diese formale Schätzung darauf beruhen, dass wir weiter wie im bisherigen Maßstab Fläche konsumieren. So wie bisher bedeutet konkret, dass Habichtswalds Flächenbedarf trotz sinkenden Bevölkerungszahlen über die letzten 19 Jahre deutlich gestiegen ist, nämlich auf 24,8 % mehr Wohnfläche/Einwohner im Zeitraum 2000 bis 2019iii- damit liegt Habichtswald mit 5 % über dem Durchschnitt des Landkreises Kassel.
Abbildung 2 illustriert ebenfalls diesen Trend: mehr Wohngebäude für weniger Einwohner. Wie sich dieser Trend in den nächsten 10 Jahren gerade im Hinblick auf Klimaschutz entwickelt, ist nicht absehbar. Schon heute gibt es ein langfristiges Netto-Null Flächenverbrauchsziel der Bundesregierung und deutliche Einsparungen schon bis 2030. Hier sind also Effekte zu erwarten und Habichtswald sollte darauf vorbereitet sein.
Da aktuell unklar ist, wie stark sich die Klimaschutzpolitik auf die in Abbildung 2 gezeigte Schere auswirkt, sollte die Neuausweisung von Bauland in einer Art und Weise passieren, die verhindert, dass bei Erfolg der Klimaschutzpolitik, die Schere zu stoppen, Leerstand entsteht oder Innenentwicklung blockiert wird.
Hierbei gilt es insbesondere zu bedenken, dass aktuell nicht verkäufliche Innenflächen im Verlauf des Planungshorizontes durchaus mobilisiert werden können.
Szenario 1: Gelingt es der Klimaschutzpolitik diese Schere zu stoppen, so brauchen wir gar kein neues Bauland in Habichtswald. Jede neue Baulandausweisung würde dann bei fallenden Bevölkerungszahlen (Abbildung 3) unweigerlich zu Leerstand im Dorf führen.
Gelingt es der Klimaschutzpolitik nicht, die Schere zu stoppen, so brauchen wir neues Bauland. Hier gilt zu bedenken, dass Habichtswald aktuell ca. 5,1 ha (grobe Schätzung, die es zu präzisieren gilt) Flächenpotential im Innenbereich des Regionalplans „Vorranggebiet Bestand“ hat. Da die Planung einen Horizont von 10 Jahren hat, sollte die Möglichkeit offen gehalten werden, später weitere Teile dieses Bereichs zu mobilisieren, für die aktuell noch keine Verkaufsbereitschaft besteht.
Szenario 2: Gelingt es der Klimaschutzpolitik diese Schere so zu verlangsamen, dass nur die Hälfte des bei aktueller Geschwindigkeit prognostizierten Bedarfs, also 4,5 ha benötigt werden, so würde eine heutige Ausweisung von Bauland im Außenbereich später Innenentwicklung sehr wahrscheinlich blockieren.
Szenario 3: Gelingt es der Klimaschutzpolitik gar nicht die Schere zu verlangsamen, so werden die Innenflächen wohl nicht ausreichen und es müssen Außenflächen vom „Vorranggebiet Planung“ (aktuell 16,8 ha, grobe Schätzung, die es zu präzisieren gilt) hinzugenommen werden.
Da aktuell nicht klar ist, welches der Szenarien eintritt, sollte eine nachhaltige Siedlungsentwicklung rechtzeitig und nachhaltig reagieren können. Eine Baulandausweisung sollte also zunächst den Durchschnittswert von 0,9 ha pro Jahr nicht überschreiten. Diese 0,9 ha/Jahr sollten sich aus der in B) genannten Priorisierung speisen. Erst, wenn man bemerkt, dass der Flächenbedarf durch Klimaschutzpolitik nicht sinkt und innerhalb der ersten Priorisierung nicht genügend Flächen mobilisiert werden können, sollte auf „Vorranggebiet Planung“ des Regionalplans zurückgegriffen werden. Erst in letzter Instanz sollten „Nicht-Vorranggebiete“ in die Betrachtung aufgenommen werden, schon allein aus dem Grund um Planungssicherheit auf Basis einer geordneten, städtebauliche Entwicklung auf Grundlage eines gültigen Flächennutzungsplanes zu gewährleisten.
Mit Flächen 3 und 4 stehen aktuell 2,2 ha zur Diskussion. Gelingt es hier nur 50 % zu mobilisieren, so reicht dies bereits für die im 10-jahres Schnitt benötigten maximal 0,9 ha aus. Ein Rückgriff auf die Regionalplan „Vorranggebiet Planung“ Gebiete ist also aktuell nicht notwendig.
Vor dieser Ausgangslage wird der Gemeindevorstand beauftragt, das Flächenpotential für Innenbereich zu bestimmen (die Schätzung hier ist äußerst grob und unvollständig) und im Anschluss daran ein Konzept zu erarbeiten,
- welche Flächen des Innenbereichs in welcher Reihenfolge und in welchem Zeitraummobilisiert werden sollen
- falls eine solche Mobilisierung nicht gelingt, welche Fläche des Vorranggebietes hinzukommen
- In Anbetracht der Tatsache, dass das „Vorranggebiet Bestand“- und „Planung“ zusammen aktuell mit ca. 21,9 ha mehr als doppelt so groß ist wie der vom Regierungspräsidium übermittelte Bruttowohnsiedlungsflächenbedarf, sollte auf „Nicht-Vorranggebiete“ erst zurückgegriffen werden, wenn sich eine Mobilisierung der Flächen in den Vorranggebieten als nicht möglich erstellt.
Hintergrund